Franz Gsellmann (1910 - 1981), ein einfacher Bauer aus Edelsbach bei Feldbach in der Oststeiermark unternimmt in seinem Leben nur eine einzige Reise, die ihn 1958 als 48-Jährigen nach Brüssel zur ersten Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg führt. Mit dem Rucksack macht er sich auf die Reise, streng geheim, um in der Nachbarschaft nicht unnötiges Kopfschütteln zu erzeugen. In Brüssel angekommen steht er staunend vor dem Atomium, der 165-milliardenfachenfachen Vergrößerung einer Eisenkristallstruktur. Nach Edelsbach zurückgekehrt beginnt er wie ein Besessener mit dem Bau „seiner Maschine“, deren Kern die Nachbildung dieses Atomiums darstellt. Bis zu seinem Tod im Jahre 1981 bastelt und werkt er daran. 23 Jahre lang klappert er die Flohmärkte bis Graz ab und sammelt von den Nachbarn Weggeworfenes und unnütz Gewordenes. 2000 Teile stehen ihm schließlich zur Verfügung, die er in seine „Weltmaschine“ einarbeitet und so aus Altem völlig Neues schafft.

Wer die Weltmaschine heute besucht, mag den Kopf schütteln über so viel Nutzloses und Zweckloses, vielleicht aber bleibt er auch staunend stehen und erkennt das Einzigartige dieses Werkes: Ein Mensch verwirklicht mit Leidenschaft und Begeisterung den Traum seines Lebens. Viele Menschen kommen über das Träumen in ihrem Leben nicht hinaus... Blaise Pascal hat gemeint, dass alle Menschen als Originale geboren werden, aber die meisten von ihnen als Kopien sterben. Im Blick auf das Leben des Franz Gsellmann besteht kein Zweifel: Er war ein Original! In der Art, wie er sich vom Atomium hat anstecken lassen, macht er Mut, nicht nur vom Leben zu träumen, sondern Träume zu leben. Franz Gsellmann macht Mut zur Originalität! Und gerade diese können wir in allen Lebenslagen gut gebrauchen. So auch in der Frage nach der Ethik in Unternehmen. Das Thema boomt, erst recht nach der Wirtschaftskrise hat sich die Notwendigkeit dafür bis in die Chefetagen großer Konzerne durchgesprochen, aber die Umsetzungsversuche kommen über wunderbare Formulierungen in Hochglanzbroschüren kaum hinaus. Und diese kreisen um die Frage, wie Menschen andere Menschen motivieren können. Frederick Herzberg hatte bereits 1968 in einer Fachzeitschrift mit dieser Frage aufhorchen lassen. Seither hat sich immer deutlicher gezeigt, dass in Betrieben, in denen die Stimmung stimmt, auch die Performance stimmt.

Eine gute und starke Unternehmenskultur ist bei Topunternehmen mit verschiedensten Stilen das Nonplusultra. In vielen Bereichen hat deswegen in der Zwischenzeit der Wert des „Humankapitals“ den des Geld- und Sachkapitals überholt. Um das zu erreichen, braucht es aber Verantwortliche, die sich mit der Leidenschaft ihres ganzen Wesens auch den ethischen Fragen des betrieblichen Miteinanders stellen. Ihre Leidenschaft darf nicht nur der Produktion, sie muss auch den Menschen in den Produktionsstätten gelten. Dazu brauchen sie eine große Leidenschaft für den Menschen und ein kreatives Potential im Schaffen von Lebens- und Arbeitsbedingungen, die allen Beteiligten das Leben lebenswert erscheinen lässt. Die Voraussetzung dafür liegt in der Notwendigkeit, die Menschen, mit denen wir es zu tun haben, zu mögen. Wer andere Menschen nicht mag, ist unfähig mit ihnen zusammenzuarbeiten und erst recht wird er unfähig sein, als Vorgesetzter mit seinen Mitarbeitern zurechtzukommen. Ingo Kleist, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, hat vor Jahren zum idealen Profil eines neuen Polizeipräsidenten für Hamburg Folgendes gefordert: Man müsste jemanden finden, der die Würde eines Erzbischofs hat, die Selbstlosigkeit eines Missionars, die Beharrlichkeit eines Steuerbeamten, die Erfahrung eines Wirtschaftsprüfers, die Arbeitskraft eines Kulis, den Takt eines Botschafters, die Genialität eines Nobelpreisträgers, den Optimismus eines Schiffsbrüchigen, die Findigkeit eines Rechtsanwalts, die Gesundheit eines Olympiakämpfers, die Geduld eines Kindermädchens, das Lächeln eines Filmstars und das dicke Fell eines Nilpferdes.

Ein solcher Wunderwuzzi wird sich nicht so leicht finden lassen, aber: Ein solcher Wunderwuzzi steckt in jedem Menschen – immer wieder, nur nicht immer in der idealen Tagesverfassung und nicht jederzeit abrufbar. In der Wirtschaft nennt man so einen Menschen einen „supportiv leader“ und versteht darunter einen, der anderen Menschen hilft, wieder in die Kraft zu kommen und ihre Potentiale zu entfalten. Was man dazu können muss, ist in erster Linie nicht die Verliebtheit ins Fachgebiet, sondern die Verliebtheit darin, Begeisterung an andere weiterzugeben. Wo immer wir hinschauen: Die Gesellschaft und darin eingebettet natürlich auch die Wirtschaft braucht Menschen, die in Gemeinschaften, Gruppen und Betrieben mit Visionen unterwegs sind, die Menschen ermutigen, begeistern und inspirieren. Die Afrikaner sagen: „Worte sind schön, aber Hühner legen Eier!“ in Bezug auf Fragen der Ethik für das betriebliche Miteinander erscheint es dringender denn je nötig, nicht nur Worte zu machen, sondern Eier zu legen.

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